Reisemagazin - Anholt, Dänemark

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Die dänische Insel Anholt - Indien im Kattegat

Goldbrauner Sand, so weit das Auge reicht. Die Oberfläche der endlos wirkenden Dünenkämme vom Wind geschliffen, die Sonne strahlt von einem makellos blauen Himmel und explodiert auf der Meeresoberfläche zu Millionen funkelnder Sterne. Selbst Palmen und Kamele würden kaum jemanden überraschen hier in „Indien“, einer exotischen Wüstenlandschaft etwa 50 Kilometer vom bewohnten Festland entfernt - ein Teil der dänischen Kattegat-Insel Anholt. Ihren Namen "Anholt" verdankt das 22 Quadratkilometer große Eiland holländischen Seefahrern, die hier im 16. Jahrhundert auf ihrem Seeweg „anhielten“.

Leuchturm auf Anholt
Leuchturm auf Anholt.
Foto: Visitdenmark / Niels Thyge

Im Hafen der jütländischen Hafenstadt Grenaa herrscht hektisches Treiben. Autos sind für Urlauber auf Anholt Tabu. Deshalb sind alle Passagiere bemüht, ihre Koffer, Kühltaschen, Angeln in den bereitgestellten Gepäckwagen umzuladen. Mit einem etwas heiseren Signalhorn sticht die „M/F Anholt“ in See und nimmt Kurs auf „Indien“.

In den Sommermonaten macht sich die siebenköpfige Crew täglich auf den Weg, den Rest des Jahres verkehrt das Schiff immerhin vier Mal die Woche. Von der regelmäßigen Fährverbindung profitieren nicht nur die jährlich etwa 60.000 Inselgäste. Den rund 150 festen Bewohnern der Insel bedeutet sie unverzichtbare Lebensader, ohne die ein Leben auf Anholt nicht möglich wäre. Ob Tageszeitung, Bier, Brot oder elektrische Geräte - nahezu alle Güter müssen vom Festland herüber gebracht werden. Kein Wunder, dass die Ankunft der Fähre im bereits 1902 gebauten Hafen jedes Mal erneut für lebhafte Beachtung sorgt. Heimkehrende Familienangehörige werden begrüßt, Fracht gelöscht, Urlaubsgäste sammeln ihr Gepäck zusammen. Wer nicht von einem der 45 auf der Insel zugelassenen Autos abgeholt wird oder sich bei der „Cykeludlejning“ unmittelbar am Fähranleger einen robusten Drahtesel organisiert, kann auf das Inseltaxi zurück greifen. Egal für welchen der beiden Wege in den etwa drei Kilometer entfernten Ort sich die Fahrer auch entscheiden, mehr als diese sechs Kilometer asphaltierte Straße gibt es auf der Insel nicht. Selbst der Inselflughafen ist nur über eine Schotterpiste zu erreichen. Im Hafen kehrt wieder Ruhe ein. Die zahlreichen Freizeitkapitäne sind wieder unter sich. Ihre Segelyachten haben die vormals hier verkehrenden Fischerboote abgelöst.Nachts bleibt die Fähre auf der Insel, freut sich Agnethe Nørgaard, Leiterin der lokalen „Turistinformation“. Dies sei unverzichtbarer Ausdruck der lebenswichtigen Bedeutung der Fährverbindung für die Bewohner eines der abgelegensten Orte Dänemarks. Inseln wie Anholt kämpfen um jeden ihrer Bewohner, bemühen sich um attraktive Arbeitsplätze sowie den Erhalt der regelmäßigen Schiffsverbindung zum Festland. Gemeinsam geht das besser.

Bereits am 23. März 1974 schlossen sich deshalb 16 kleine Inseln zum „Samslutning af Danske Små Øer“ zusammen. Zu den mittlerweile 27 Mitgliedsinseln gehören neben Inselzwergen wie Birkholm (9 Einwohner) oder Hjortø (14 Einwohner) auch Inseln wie Orø, der mit 989 Einwohnern bevölkerungsreichsten Insel im Verband. Um Mitglied zu werden, muß eine Insel über eine Fähranbindung ans Festland verfügen, darf höchstens 1.000 Einwohner beherbergen und keine eigenständige Kommune sein.

Touristen können, so meint Vibeke Fenger, als zusätzliche Fahrgäste zum Erhalt der Fährverbindungen (und von Arbeitsplätzen) beitragen. Und der Erfolg ihrer Arbeit scheint ihr Recht zu geben. Seit Februar 1998 leitet sie das Büro des „Netværket Dansk Småø Turisme“ auf der Limfjord-Insel Venø. Ihr zentrales Büro bildet die touristische Vertretung der Inselallianz und fungiert als Anlaufstelle für Interessenten und Buchungszentrale für Urlauber. Das Angebot reicht von der reinen Unterkunftsvermittlung über Gruppenarrangements bis hin zum Inselhopping mit Rad und Fähre. „Jede der Inseln hat ihren ganz eigenen Charakter“, sagt Vibeke Fenger. Sie alle bieten aber etwas, das in unserer Welt selten geworden ist: Frieden und Ruhe, Wasser und Natur.

Auf Anholt tummeln sich in den Sommermonaten bis zu 4.000 Gäste. Sie alle kommen des Inselfeelings wegen. Eiszeit, Wind und Wasser haben in Jahrtausenden eine unverwechselbare Landschaft geformt. Im Westen haben die Gletscher einen gewaltigen Erd- und Gesteinswall zurück gelassen. Heute überzieht märchenhafter Kiefern- und Wacholderwald diese Hügelkette weiträumig.

Anholt By, einziger Ort der Insel, duckt sich in den östlichen Windschatten des Höhenzuges. Kirche, Lebensmittelladen, Post, Café, Kiosk und ein Kro sichern die Versorgung der Insulaner und Urlauber. Für die Dauer der Sommermonate wird zudem ein Polizist vom Festland zur Inselpatrouille abkommandiert.

Hoch hinaus geht es vom Dorf aus über schmale markierte Wanderpfade. Auf stolze 48 Meter bringt es der höchste Punkt der Insel, der Sønderbjerg. Der Blick gen Osten erklärt, warum viele Dänen oftmals liebevoll vom „Gran Canaria“ des Nordens sprechen: ein atemberaubendes Mosaik aus Sand in den unterschiedlichsten Gelb- und Brauntönen, grüne, oftmals vom Wind bizarr geformte Wacholderbüsche, großflächige Tupfer aus Krähenbeeren und nur knöchelhoch wachsenden Weiden.

Ausgedehnter Sandstrand bildet den Übergang zum türkis und dunkelblau schimmernden Wasser. Eine Vielzahl seltener Pflanzen- und Vogelarten besiedelt diesen einmaligen Naturraum. „Ørkenen“, die Wüste, nennen die Anholter diesen Teil der Insel, der immerhin drei Viertel der Gesamtfläche ausmacht.

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts war auch die Wüste von Bäumen bewachsen. In der Folge wurde nahezu der komplette Baumbestand für die Sicherheit der Schifffahrt geopfert. Auf Anordnung des dänischen Königs Friedrich II wurde 1560 auf der Ostspitze ein Pfannenfeuer, historischer Vorläufer des 1881 gebauten Leuchtturms, errichtet. Technische Verbesserungen ermöglichten kurze Zeit später das Ausrichten des Feuers nach dem Wind. Dieses sogenannte „Papageienfeuer“ wurde 1623 durch einen Holzständerbau und der Brennstoff Holz durch Kohle ersetzt.

Erst Ende des 19.Jahrhunderts begannen die Inselbewohner mit der mühsamen Wiederaufforstung der erodierten Flächen. Karger Boden, Wind und Sandflug sind die Hauptursachen für das sehr langsame Wachstum der Pflanzen. Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde jedoch gelernt. Heute steht ein Großteil der Insel unter Naturschutz.

Die Wanderung vom Ort durch die Wüste zum zehn Kilometer östlich gelegenen Leuchtturm „Anholt Fyr“ gleicht einer Expedition in eine andere Welt und markiert zweifellos den Höhepunkt eines Anholturlaubs. Fernab alltäglicher Hektik verlieren sich die Inselgäste hier selbst im Sommer rasch aus den Augen. Das Schreien der Möwen und Austernfischer, das Rascheln der Dünengräser, das Rauschen des Meeres - plötzlich verdecken bis zu 20 Meter hohe Sandkämme den Blick in die Ferne. „Indien“ - ein Ort der Imagination, der scheinbar auch die früheren Inselbewohner bei seinem Anblick, zumindest gedanklich, in die Ferne schweifen ließ.

Der Leuchtturm aus anderer Perspektive
Der Leuchtturm aus anderer Perspektive.
Foto: VisitDenmark / Niels Thyge

Östlich des Leuchtturms auf der Inselspitze liegt „Totten“, der ganzjährig geschützte Lebensraum einiger Hundert Seehunde. Ein gutes Fernglas sollte neben ausreichend Proviant auf dieser Exkursion auf keinen Fall fehlen. Die Neugier der Seehunde

aber ist vielfach kaum geringer als die der Menschen, und so sind Seehunde auch entlang des 26 Kilometer langen Sandstrands keine Seltenheit.

Erste Spuren menschlicher Besiedlung reichen zurück bis in die Steinzeit. Zu Zeiten der Vikinger sollen Seeräuber auf der Insel Schutz gesucht haben, später unterhielt König Valdemar dort eine Jagdhütte. 1658 besiegelte ein Bierkrug den Verbleib Anholts im dänischen Königreich. Durch den Friedensschluß von Roskilde wurde Dänemark gezwungen, große Gebiete an Schweden abzutreten. Einzig durch ein Glas Bier, von einem dänischen Abgesandten „zufällig“ auf der Landkarte abgestellt, entging den Verhandelnden der kleine dänische Außenposten im Kattegat.

Ihre Vergangenheit ist den Anholtern wichtig und bietet dem interessierten Besucher überraschende Einblicke in die Geschichte ihrer Urlaubsinsel. Der Lokalhistorische Verein Anholt hat zahlreiche Fotos, Karten, Werkzeuge, Dokumente, Haushaltgegenstände und seit 1995 das alte Rettungsboot in der ehemaligen Arztpraxis liebevoll zu einer kleinen Ausstellung arrangiert. Die präsentierten Portraits typischer Anholter erzählen vom harten, oftmals entbehrungsreichen Inselleben.

Auch heute stehen die Bewohner Anholts und die der vielen anderen kleinen Inseln immer wieder vor großen Herausforderungen. Der vom dänischen Staat unterstützte Zusammenschluß „Samsluttning af Danske Små Øer“ aber war ein wichtiger Schritt in eine gemeinsame Zukunft.

Langsam senkt sich die Abenddämmerung über den Ort. Rasch noch die Kiste Bier auf dem Fahrrad festgezurrt, dann verschwinden auch die letzten Kunden des Inselladens in Richtung ihres Ferienhauses. Im Garten des Dorfcafés wird das Abendessen serviert. Der in den Vorgärten auf Wäscheleinen zu Girlanden aufgereihte Trockenfisch zittert sanft im Wind. Ruhe breitet sich aus. Vor dem knisternden Kaminfeuer klingt der Tag friedlich aus. Plötzlich scheinen den tanzenden Flammen exotische Gestalten zu entsteigen. Phantastischer Ausklang eines unvergeßlichen Urlaubstages auf Anholt, der Insel mit der größten Wüste Nordeuropas.

Quelle: VisitDenmark (Yörn Kreib) / bearbeitet von pairola-media

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